Die Konventionalstrafe: Ein Überblick mit Bezug auf das Obligationenrecht und die SIA-Normen

Enzo Schrembs

Enzo Schrembs

Oct 30, 2024

Die Konventionalstrafe – auch Vertragsstrafe genannt – dient als vertragliches Mittel zur Sicherung von Pflichten und zur Vermeidung von Vertragsverletzungen. Dieser Beitrag erläutert ihre Regelung im Schweizer Obligationenrecht (Art. 160–163 OR) sowie ihre Praxisanwendung, besonders im Bauwesen nach SIA-Normen, und zeigt verschiedene Formen und Einsatzmöglichkeiten der Konventionalstrafe auf.

Was ist die Konventionalstrafe?

Die Konventionalstrafe ist ein vertraglich vereinbartes Mittel zur Absicherung und Sicherstellung der Vertragserfüllung durch den Schuldner, was ich bereits in meinem Beitrag zur Vertragsabsicherung thematisiert habe.

In diesem Beitrag liegt der Fokus jedoch speziell auf der Konventionalstrafe, die auch als Vertragsstrafe bezeichnet wird. Diese im Voraus festgelegte Geldstrafe wird fällig, wenn der Schuldner gegen eine vertragliche Pflicht verstösst. Im Obligationenrecht (OR), insbesondere in den Art. 160–163 OR, ist die Konventionalstrafe geregelt. Die Parteien vereinbaren im Vertrag Höhe und Bedingungen der Strafe, solange sie nicht unverhältnismässig hoch ist.

Ziel der Konventionalstrafe ist es, eine vertragliche Absicherung zu schaffen und den Gläubiger zu schützen, ohne dass dieser den tatsächlichen Schaden beweisen muss. Wichtig ist, dass die Konventionalstrafe unabhängig vom tatsächlichen Schaden zur Anwendung kommt, es sei denn, es wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart (Art. 161 OR).

Abgrenzung zum Reuegeld

Das Reuegeld (Art. 158 OR) ist ein weiteres vertragliches Absicherungsmittel, die jedoch anders funktioniert. Beim Reuegeld handelt es sich um eine Zahlung, die als Kompensation dient, wenn eine Partei einseitig vom Vertrag zurücktritt. Es stellt somit keine Strafe für die Vertragsverletzung dar, sondern eine vertraglich festgelegte Entschädigung für den Abbruch des Vertrags.

Die Abgrenzung zwischen Konventionalstrafe und Reuegeld liegt in der Art der Verpflichtung: Während die Konventionalstrafe eine Sanktion für die Nichterfüllung einer Pflicht ist, ist das Reuegeld eine Art Ausgleich für den Rücktritt.

Formen der Konventionalstrafe

Es gibt verschiedene Varianten der Konventionalstrafe, die im Schweizer Vertragsrecht und in der Baupraxis (wie zum Beispiel nach den SIA-Normen) eine wichtige Rolle spielen.

a. Alternative Konventionalstrafe

Bei der alternativen Konventionalstrafe hat der Gläubiger die Wahl: Er kann entweder die Konventionalstrafe fordern oder den tatsächlich erlittenen Schaden geltend machen, sofern nicht anders verabredet worden ist. Diese Regelung ist in Abs. 1 von Art. 161 OR verankert. In der Praxis ist dies eine häufige Form der Konventionalstrafe, da der Gläubiger je nach Situation zwischen den Optionen wählen kann.

b. Kumulative Konventionalstrafe

Die kumulative Konventionalstrafe ermöglicht es dem Gläubiger, sowohl die Konventionalstrafe als auch den tatsächlich entstandenen Schaden oder die Vertragserfüllung einzufordern. Diese Option besteht jedoch nur, wenn sie ausdrücklich im Vertrag festgehalten wurde (Art. 161 Abs. 2 OR). Dabei muss klar geregelt sein, dass die Strafe zusätzlich zum Schadensersatz beansprucht werden kann. Zudem muss der Gläubiger nachweisen, dass der erlittene Schaden die Höhe der Konventionalstrafe übersteigt.

c. Exklusive Konventionalstrafe

Bei der exklusiven Konventionalstrafe steht die Strafe als einzige Form des Ausgleichs zur Verfügung. Der Gläubiger kann keine weiteren Schadenersatzansprüche geltend machen, selbst wenn der tatsächliche Schaden höher ist als die vereinbarte Konventionalstrafe.

Anwendungsbeispiele

Die Konventionalstrafe wird in der Praxis in verschiedenen Bereichen eingesetzt, besonders in Werkverträgen, im Arbeitsrecht und bei Geheimhaltungsvereinbarungen (NDAs).

a. Werkverträge (Bau)

Im Bauwesen, das stark durch die SIA-Normen geregelt ist, kommt die Konventionalstrafe häufig bei der Nichteinhaltung von Fristen oder der Nichterfüllung von vertraglichen Verpflichtungen zum Einsatz. Wenn beispielsweise ein Bauunternehmen den Bau einer Immobilie nicht rechtzeitig fertigstellt, kann im Vertrag eine Konventionalstrafe pro Tag der Verspätung vorgesehen sein. Dies bietet dem Bauherrn eine Sicherheit, dass der Auftragnehmer seine Leistungen rechtzeitig erbringt. SIA-Normen, wie etwa die SIA 118, enthalten spezifische Regelungen zu Bauverträgen und der Vereinbarung von Konventionalstrafen.

b. Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht kann die Konventionalstrafe insbesondere im Zusammenhang mit einem Konkurrenzverbot nach Art. 340 OR oder der Geheimhaltungspflicht (siehe Art. 321a Abs. 4 OR) vereinbart werden. Bei einem Konkurrenzverbot verpflichtet sich der Arbeitnehmer, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für eine gewisse Zeit nicht für ein konkurrierendes Unternehmen tätig zu sein. Verletzt der Arbeitnehmer diese Verpflichtung, kann eine Konventionalstrafe fällig werden. Ähnliches gilt für Geheimhaltungsvereinbarungen: Verstösst ein Arbeitnehmer gegen eine vertraglich vereinbarte Geheimhaltungspflicht, kann auch hier eine Konventionalstrafe als Abschreckungsmechanismus dienen. Wichtig ist, dass die Konventionalstrafe vertraglich vereinbart werden soll, um Gültigkeit zu erlangen.

c. NDA (Non-Disclosure Agreement)

In vielen Geschäftsbeziehungen werden Geheimhaltungsvereinbarungen (NDAs) geschlossen, um vertrauliche Informationen zu schützen. Eine Konventionalstrafe kann hier eine effektive Absicherung darstellen. Verletzen die Parteien die Vertraulichkeit, kann die vordefinierte Strafe fällig werden, ohne dass der geschädigte Vertragspartner einen tatsächlichen Schaden nachweisen muss. Dies schützt Unternehmen vor erheblichen Risiken und unkontrolliertem Informationsverlust.

Worauf muss bei der Formulierung geachtet werden?

Damit eine Konventionalstrafe rechtlich durchsetzbar ist, müssen einige Punkte bei der Formulierung beachtet werden:

  • Klarheit und Transparenz: Die Vereinbarung der Konventionalstrafe muss eindeutig und präzise formuliert sein. Dazu gehört die genaue Festlegung der Höhe der Strafe und der Bedingungen, unter denen sie fällig wird.

  • Verhältnismässigkeit: Die Höhe der Strafe darf nicht übermässig hoch sein, da dies gegen die guten Sitten verstossen könnte. Überhöhte Strafen können vom Gericht reduziert werden (Art. 163 Abs. 3 OR), wie ein aktueller Fall gezeigt hat.

  • Keine Doppelsanktion: In der Regel ist es nicht erlaubt, eine Person gleichzeitig mit einer Konventionalstrafe und einem Schadensersatz zu belangen, es sei denn, dies wurde ausdrücklich vereinbart (kumulative Strafe).

Fazit

Die Konventionalstrafe ist ein wirksames Instrument zur Sicherung vertraglicher Pflichten im Vertragsrecht, besonders in den Bereichen Werkverträge und Arbeitsrecht. Sie bietet eine gute Möglichkeit, Vertragsverletzungen vorzubeugen und kann bei der richtigen Anwendung viel Streitpotenzial vermeiden. Klarheit, Verhältnismässigkeit und die Berücksichtigung der jeweiligen Normen, wie den SIA-Normen, sind dabei entscheidend, um eine wirksame und rechtlich durchsetzbare Vereinbarung zu schaffen.

Um Konventionalstrafen vorzubeugen, ist es daher sehr wichtig, Termine und Fristen stets im Blick zu behalten und einzuhalten. Mit einer innovativen Lösung wie RETO behalten Sie alle Fristen und Termine im Überblick und können Vertragsstrafen so einfach vermeiden.

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Bitte beachte, dass der Inhalt möglicherweise mit Hilfe von KI generiert wurde. Die redaktionellen Inhalte von Reto stellen keine Anlageberatung, Kaufempfehlung oder Rechtsberatung dar.

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